AUSSTELLUNGEN UND -BEWEGUNGEN AKTUELL UND DEMNÄCHST
PER SON: sam 31. MAI bis Son 20. JULI 2025
KIWAN CHOI: Malerei und JOHANNA FROHBERG: Plastik
Orientiert man sich am lateinischen Wortstamm "per sonare" - ist die "Person" das, was "hindurch klingt", also auch das, was vom Selbst beim anderen ankommt. "Person" bezeichnet so betrachtet nicht einen statischen Besitz an sich Selbst - sondern hat mehr zu tun mit gelingender Kommunikation und Beziehung.
Der aus Südkorea stammende Maler Kiwan Choi und die in Deutschland geborene Bildhauerin Johanna Frohberg erkunden Mensch, Selbst, Person mit den Mitteln der Kunst zwar auf scheinbar gegensätzliche Weise. Doch beider Begriff vom Selbst entzieht sich dem naturwissenschaftlichen Paradigma und ist doppelt komplex, irreduzibel und unmodern.
„Der Mensch ist Geist. Aber was ist Geist? Geist ist das Selbst. Aber was ist das Selbst? Das Selbst ist ein Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, oder ist das am Verhältnis, dass das Verhältnis sich zu sich selbst verhält; das Selbst ist nicht das Verhältnis, sondern dass das Verhältnis sich zu sich selbst verhält. Der Mensch ist eine Synthese von Unendlichkeit und Endlichkeit, von Zeitlichem und Ewigem, von Freiheit und Notwendigkeit, kurz, eine Synthese.“ (Sören Kierkegaard, 1849)

kiwan choi, 2020, unless do not desturb others
Aktuell steht unsere Zeit unter dem Paradigma naturwissenschaftlicher Erkenntnis. Diese lockt durch Machbarkeit. Der Mensch samt seinem Geist ist hier das Ergebnis chemischer und neuronaler Prozesse, seine vollumfängliche Erkundung, wenn auch vielleicht praktisch unmöglich, theoretisch aber nur eine Frage der Zeit. In der Dunstwolke dieses Paradigmas erreicht man Heilung durch Medikamente, religiöse Erfahrung durch Drogen, Glück durch Serotonin, Erkenntnis durch Berechnung.
Doch ist unsere Zeit hier tatsächlich auf irgendeiner Höhe der Erkenntnis? Ist das brutale Aufklaffen religiöser, nationalistischer und kommunikativer Konflikte nicht auch schmerzendes Zeichen des Versuchs, die Selbstabschaffung des Menschen abzuwehren?
Ein Begriff von Selbst und Person, der nicht in neuronalen Prozessen, sondern in Beziehungen und Verhältnissen gründet, legt andere Gedanken aber auch Ziele nahe, als in einzelnenen Gehirnen und Körpern lokalisierbare chemische Abläufe: Denn ist schon das Selbst dynamischer Zusammenhalt eines mehrpoligen Verhältnisses, sind auch Mensch und Gesellschaft, nicht Teile und Summe, sondern ein Kontinuum.
Eine "Gespaltene Gesellschaft" ohne Abspaltung und Veränderung im Selbst ist nicht möglich und Egoismus folglich eine Illusion. Reichtum stellt kein Ziel mehr da, denn Reichtum und Armut bezeichnen nicht mehr als eine konfliktanfällige Abtrennung. Stattdessen rücken Begriffe wie Integration, Begegnung, Austausch, Spiel in das Feld menschlichen Interesses.

johanna frohberg, 2017, noli me tangere
Kiwan Choi (Malerei) und Johanna Frohberg (Plastik) erkunden Mensch, Selbst, Person also auf alternative Weise mit den Mitteln der Kunst. Mathematisch beschreibbare, vereinfachte Kausalitätsbeziehungen spielen dabei weniger eine Rolle als das dynamische, wechselhafte Erleben selbst.
Choi malt jenseits gegenständlicher und abstrakter Vorstellung Bilder von zum Teil monumentaler Größe, die auch Kategorien wie Vordergrund und Hintergrund, Wichtig und Unwichtig hinter sich lassen. Frohberg baut ohne Vorbild, Modell oder vorab festgelegter Vorstellung aus Hohlkörpern Menschen, die aus der Auseinandersetzung mit ihnen überhaupt erst entstehen.
Wir wissen, ein Verhältnis kann zerbrechen; eine Spannung hin zur möglichen Spaltung ist in jeder Kommunikation enthalten. Die sensible Komplexität von Mensch, Person, Selbst und Gesellschaft wird in beider Künstler Werken sichtbar. Wir werden Zeugen einer nahen Freiheit, einer berührenden Weite, einer direkten Begegnung im freien Fall.

kiwan choi, 2023, erased place
EX-ZESS! : sam 6. SEPT. bis son 26. Oktober 2025
Vernissage: Sam 6.Sept. 17 Uhr
Römer + Römer (Malerei), Ben de Biel (Fotografie), Falk Richwien (Malerei, Fotografie, Video), Mike MacKeldey (Malerei), Enrico Pietracci (Fotografie/Malerei), Elena Karakitsou (Installation/Plastik), HUMATIC (Installation), V3 - Veruschka Bohn (Performance)

Römer + Römer, 2015, Kulturkosmos
Zwischen den Ausstellungen:
KINETOPIO - Nichts bleibt wo es ist: Zwischen den angekündigten Ausstellungen finden Sie im grossen Saal der Brennerei Cöthen im ständigen Wandel Installationen fertiger und unfertiger Werke, bekannter und unbekannter, wechselnder Künstler:innen. Was da ist, hängt vom Zufall ab.
DIE ÖFFNUNGSZEITEN FINDEN SIE HIER
Es wird nichts vorgetäuscht, nichts gehypt und nichts verschwiegen. Ohne Geländer, Gehhilfen und sonstige Bewertungshilfen kunstdiskursiver Sanitätshäuser oder Kunstmessen oder Kunstauktionen oder in Risiko-schwangeren Finanzwelten freildrehende:r Gallerist:innen können Sie hier Werke direkt auf sich wirken lassen. Wenn Sie wollen.
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