KUNST

FÜR WEN?

Kunst ist für jede_n da, der sich mit ihr beschäftigt, sie dabei nicht unter den Tisch redet, sondern sie als gegenständliches Gegenüber schätzt.


Das ist ganz offen. Doch Kunst ist in Verruf geraten, nur für bestimmte gesellschaftliche Schichten zugänglich zu sein. Galerien und insbesondere Museen haben für jeden offen, für Schokolade gibt der durchschnittliche Deutsche im Jahr mehr aus, als ein nicht am Kunstmarkt gehyptes Werk kostet, was also ist damit gemeint?

In seinem Film "Lokal Color - Die Farben des Herbstes" lässt George Gallo seinen Helden - Armin Müller Stahl in der Rolle des fiktiven russischen Malers Serroff - sagen, der normale Mensch sei genau deswegen kein Teil des Kunstgeschehens mehr, weil der normale Mensch Schwachsinn auf den ersten Blick erkenne!

Das beeindruckt in seiner Brachialität und provoziert sogar Zustimmung. Doch wessen Patei ergreift man aber hier? Wer ist "der normale Mensch"? Was vermag er zu beurteilen? Und wer darf für ihn sprechen? Wer will für ihn sprechen?

Wer für ihn sprechen will, will eine allgemeine und breite Zustimmung hinter sich haben. Gut, das wollen wir alle. Genau dafür haben wir den normalen Menschen auch erfunden. Er ist eine soziale Rolle, die mit dem sozial Erwünschten und Respektierten so weit indentisch ist, dass sie schwer von jemandem aus der selben Gesellschaft angegriffen werden kann. Viele von uns haben diese Rolle aus dem FF im Repertoire und wissen mit ihr umzugehen. Andere von uns stolpern ständig über sie. Und wieder Andere können diese Rolle gar nicht von sich trennen und versuchen fortwährend, ihr zu entsprechen. Doch tatsächlich ist sie nur unser kleinster gemeinsamer Nenner und niemand geht ganz in ihr auf.

Was also, kann der "normale Mensch" beurteilen? Erkennt er Schwachsinn auf den ersten Blick? Nein. Er erkennt nur sofort und auf den ersten Blick, dass es da eine Abweichung von dem gibt, was jeder sofort versteht. Inwieweit er sich darüber hinaus dennoch weiter damit beschäftigt, ist dann eine individuelle Entscheidung, die durch die Rolle des normalen Menschen womöglich tatsächlich nicht mehr gedeckt ist. Möchte er ganz sichergehen, sein Leben in der Rückendeckung des "normalen Menschen" abhalten zu können, sollte er sich also nicht weiter damit beschäftigen. Der "normale Mensch" kann nicht zur Beschäftigung mit der Kunst gezwungen werden, aber er kann sie auch nicht beurteilen.

Wer darf also mitreden? Für wen ist die Kunst da? Während der innere Raum des auf das allen Gemeine reduzierten Menschen einfach zu klein ist, um Kunst zu beurteilen, ist der Raum und die Bewegungskraft des kunsthistorischen, philosophischen und überhaupt akademischen Intellekts nun wiederum oft einfach zu groß, um etwas nicht als Kunst zu beurteilen. Man muss da klar sehen: Der Intellekt vermag - so schnell und gewieft wie er eben ist - tatsächlich, jeden Fliegendreck ganz überzeugend zur Kunst zu erklären. Ja, gerade um so abwägiger es ist, das Objekt seiner Aufmerksamkeit als Kunst zu bezeichnen, um so mehr kann der Intellekt sich selbst darin in seiner Größe zeigen, um so weniger sieht man noch von der Kunst.

Ebensowenig also, wie die Kunst der soziale Rolle des "normalen Menschen" angepasst sein kann, kann sie zum bloßen Objekt eines an einem Aufmerksmakeitsdefizit-Syndrom leidenden, hyperaktiven Intellekts werden. Kunst ist schlicht für jede_n da, der sich mit ihr beschäftigt, sie dabei nicht unter den Tisch redet, sondern sie selbst als gegenständliches Gegenüber schätzt.

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